Teil 4 unseres Roadtrips durch Bolivien
Cochabamba
Am 23. Mai erreichten wir Cochabamba. Die Stadt liegt 2.560m über dem Meeresspiegel in der Cordillera Oriental (den östlichen Anden) und ist mit knapp 630.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Boliviens. Dementsprechend chaotisch ging es auch hier mal wieder auf den Straßen zu und entsprechend eng war auch die Parkplatzauswahl. Wir mussten vier verschiedene bewachte Parkplätze anfahren, bis wir einen fanden, der zum einen 24 Stunden geöffnet hatte und uns zum anderen auch im Auto übernachten lassen wollte. Die Bolivianer sind selbst keine großen Camper und viele kennen tatsächlich das Konzept Wohnmobil kaum oder gar nicht. Umso verwunderter, waren oft die Blicke, die wir bekamen, wenn wir erklärten das wir im Auto wohnen und was wir in unserem Kastenwagen so alles verbaut haben. 😉
Letztendlich hatten wir dann am späten Nachmittag aber unser Plätzchen gefunden und machten uns auf in die Stadt, die vom Reiseführer als ein Ort angepriesen wurde, in dem man gerne länger bleibt.
Doch schon unser erster Eindruck war: das trifft auf uns wohl nicht zu. Wir liefen über den zentralen „Plaza 14 de Septiembre“, wo eine Zeltstadt aufgebaut war und einige Menschen offenbar gegen etwas protestierten. Von den Straßenlaternen baumelten gebastelte, lebensgroße Puppen und auf großen Bannern, wurde Solidarität mit zwei Personen bekundet, die offensichtlich einer Art Gewerkschaft angehörten und umgekommen waren?! Das Ganze wurde von schwer bewaffneten Polizisten bewacht. Worum es genau ging, erschloss sich uns nicht und es blieb auch alles friedlich, dennoch schaffte es keine Atmosphäre zum Wohlfühlen.
Aber es gab ja vermeintlich noch mehr zu entdecken, so schlenderten wir durch die Gassen der eher schlichten Altstadt, bestaunten die bunten Collectivos, also die lokale Version eines Stadtbusses, bis wir schließlich vor einer Pizzeria landeten, die mit einem Bulli im Schaufenster und guten Bewertungen lockte. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen und so endete der erste Abend in Cochabamba mit einer leckeren Pizza.
Den nächsten Vormittag verbrachten wir kopfüber in unserer Technikbox. Unser Ladebooster boostete nicht mehr, somit luden unsere Aufbaubatterien nicht mehr ordentlich. Zum Glück ist Christian ein alter Elektroniker und ich schmal genug gebaut, um an den Fahrrädern vorbei, halb in unsere vollbeladene Garage zu klettern, um am Gerät die Einstellungen und blinkenden LEDs zu überprüfen. Vermutlich gaben wir ein skurriles Bild ab, gut, dass uns keiner sehen konnte! 😉
Schließlich fand sich das Problem und die Lösung dafür und nachdem das erledigt war, machten wir uns auf in die Stadt und stürzten uns kopfüber in den angeblich größten Markt von Südamerika.
Die Märkte in Bolivien sind ja sowieso eins unserer Highlights, so viel frische Produkte wie hier sieht man wirklich selten auf einem Haufen. Dazu gab es hier aber auch noch alles andere, was man sich so vorstellen kann: Haushaltswaren, Partydeko, Kosmetika, Eisenwaren, Elektronik, Blumen, Fahrräder + Zubehör, Kostüme, Möbel, Matratzen, Backutensilien, Tiere, und und und.
Statt einer großen Markthalle, verteilte sich der Markt auf mehrere Hallen, fand aber auch unter freiem Himmel und am Straßenrand statt.
Gar nicht so einfach da wieder rauszufinden. 😉
Nachdem wir uns mit Saltenas, der bolivianischen Version von Empanadas, gestärkt hatten, machten wir uns am Nachmittag auf den Weg zum „Palacio Portales“. Diese prunkvolle Stadtvilla des einstigen Zinn-Barones Simon Patino steht auf einem riesigen, parkähnlichen Anwesen, mitten in Cochabamba. Allerdings steht sie seit ihrer Fertigstellung im Jahr 1927 leer und wie wir bei einer Führung erfuhren, hat auch niemals jemand in diesem Palast gewohnt.
Der Erbauer verstarb, bevor er jemals einziehen konnte und seine Nachfahren hatten kein Interesse an der Villa, da es im ganzen Land verteilt weitere prunkvolle Besitztümer gibt. Im Inneren des Hauses sah es aus, als wäre Versace explodiert – Gold und Brokat überall, dazu dunkle, schwere Holzmöbel. Inspiriert von seinen Reisen nach Europa, hatte jeder Raum eine andere Stilrichtung. Die Bäder waren dem Londoner Stil der damaligen Zeit angelehnt, im Tanzsaal mischten sich italienische und spanische Einrichtungsstile, es gab einen Raum, welcher der Alhambra nachempfunden war und einen französischen Speisesaal mit Wandteppichen und Deckenfresken. Fotografieren war im Inneren nicht erlaubt, vermutlich wäre bei diesem Prunk auch die Linse geplatzt. Was für eine Verschwendung, in einem armen Land wie Bolivien, so ein riesiges Anwesen einfach leer stehen zu lassen.
Im Keller befand sich ein Museum, mit einigen Gemälden und Skulpturen aber wesentlich spannender, war die zufällige Begegnung, die wir hatten, als wir das Anwesen gerade verlassen hatten. Auf der Straße trafen wir auf Rui aus Peru und kamen irgendwie mit ihm ins Gespräch und quatschten uns eine Stunde lang fest, sprachen im wörtlichen Sinne über Gott und die Welt, bevor sich unsere Wege wieder trennten. Eine dieser zufälligen Begegnungen, die uns vermutlich ewig in Erinnerung bleiben werden…
Wir verbrachten eine zweite Nacht in der Stadt, hatten dann aber auch schon wieder genug vom Großstadtgetümmel. Es zog uns wieder ins Grüne, somit nahmen wir Kurs auf das Dörfchen Toro Toro, im gleichnamigen Nationalpark gelegen.
Nationalpark Toro Toro: auf den Spuren der Dinos
Schon die Fahrt nach Toro Toro war landschaftlich wunderschön und sehr abwechslungsreich, führte durch weite Felslandschaften und vorbei an grünen Feldern und war, zu unserer Überraschung, auch größtenteils frisch geteert.
Ausgerechnet die letzten steilen Kilometer, auf 3.000müM waren aber noch Baustelle und führten über ruckelige Erdpisten und enge Kurven, mitten durch die schweren Baumaschinen. So kamen wir doch noch mal kurz ins Schwitzen, bevor wir endlich im Ort Toro Toro ankamen.
Toro Toro erinnerte uns dann doch stark an San Pedro de Atacama oder auch Uyuni – die Straßen waren entweder Erdpisten oder grob gepflastert mit ordentlichen Schlaglöchern, die Häuser aus Lehm und Stroh waren alle flach und unverputzt, jedes zweite Haus war Wohnraum und Minimarkt zugleich und das Straßenbild prägten wieder unzählige struppige Hunde und natürlich die bunt gekleideten Bolivianerinnen, mit ihren langen Zöpfen und großen Hüten.
An der Info des Nationalparks und im Büro der hier mal wieder obligatorischen Tourguides, versorgten wir uns noch mit allen notwendigen Informationen, bevor wir einen Stellplatz direkt an der Sporthalle des Ortes bezogen, wo wir wie immer viele neugierige Blicke ernteten.
Ein kurzer Spaziergang durch den Ort machte deutlich, worum es hier hauptsächlich geht: Dinosaurier. Hauptattraktion des Nationalparks, sind die vielen versteinerten Fußspuren und Fossilien von verschiedensten Dinos.
Am nächsten Morgen ging es los zur ersten Tour. In Begleitung eines Guides (praktisch jeder Dorfbewohner, der nicht im Handwerk oder in der Landwirtschaft tätig ist, ist hier ein „Guide“) und einem weiteren Reisenden, ging es los zu den ersten Dino-Spuren, welche direkt am Ortsrand gefunden wurden. Sowohl die großen Pflanzenfresser als auch die fleischfressenden Dinos, scheinen dort vor vielen Millionen Jahren vorbeigekommen zu sein.
Danach setzte sich unsere Wanderung fort und es ging zu dem für uns noch viel spannenderen Ziel, dem Toro Toro Canyon.
Nachdem wir den Ausblick vom Mirador genossen hatten, ging es über 1.000 Stufen, 250hm hinab in den Canyon zum Ziel und Highlight der Wanderung, dem Wasserfall El Vergel.
Wunderschön! Nach einer kleinen Stärkung hieß es dann aber wieder raus aus dem Canyon und die 1.000 Stufen wieder hinauf. Das erwies sich auf 2.700hm als ganz schön mühselig und schweißtreibend. 😉
Am nächsten Tag tauchten wir dann noch tiefer in den Nationalpark ein. Wieder mit einem Guide und drei weiteren Reisenden, ging es mit einem 35 Jahre alten Mitsubishi Allrad, ca. 1 Stunde raus aus Toro Toro und rauf auf 3.700müM, in die „Ciudad de Itas“ – die einstige Inka Stadt aus Steinen mit ihrem Höhlenlabyrinth.
Vorbei an einem kleinen Canyon, stiegen wir durch eine Felsspalte hinab in die Höhlen, welche in Millionen von Jahren durch Regen, Wind und Wetter geformt wurden. Dies hat fantastische Formen erzeugt.
Das Herzstück der Ciudad de Itas, ist die Kathedrale genannte Höhle, welche wirklich beeindruckend war.
Schließlich kletterten wir wieder hinaus aus dem Höhlenlabyrinth, über Stock, Steine und manchmal auch Leitern und es ging mit dem Auto weiter zum nächsten Ziel, dem Turu Rumi. Was genau sich dahinter verbarg, konnte man uns vorab nicht genau sagen. Es blieb felsig, wir mussten klettern und stellenweise fast schon krabbeln, um durch einen Tunnel in eine Höhle zu gelangen, in der früher angeblich Pumas gejagt und getötet wurden. Vorbei an zwei kleinen Lagunen, gab es noch mehr Felsen und Aussicht, aber kein wirkliches Highlight.
Die Krönung war jedoch, dass uns der Guide erklärte, dass Turu Rumi Stier bedeuten würde und dass es am Ende des Weges einen Stierförmigen Felsen geben sollte, nach dem diese „Attraktion“ benannt worden sei. Der Fels entpuppte sich, naja, als Fels eben, auf den von Hand (!) zwei etwas spitzere Steine gesteckt worden waren, um es wie einen Stier aussehen zu lassen, was noch nicht mal gelungen war. Der Witz des Tages. Alles in allem hatten wir bei diesem Stopp das Gefühl, dass hier versucht worden war, für die Touristen noch eine zusätzliche Attraktion zu kreieren, die eigentlich keine ist…
Zurück im Dorf bezogen wir für die kommenden zwei Nächte einen etwas abgelegeneren Platz an der Kirche, wo wir die nächsten Tage einfach mal wieder zum nichts tun nutzten.
Als wir uns aber nachmittags mal die nähere Umgebung auf eigene Faust, bei einem Spaziergang ansehen wollten, bekamen wir zu spüren, dass dies hier wirklich nicht gewünscht ist und die Locals es ernst meinen, mit der ständigen Begleitung durch einen „Guide“. Nahezu jeder der uns außerhalb des Ortskerns begegnete, fragte uns, wo denn unser Guide sei. Der Streuner der uns beständig auf Schritt und Tritt folgte, ging leider nicht als Guide durch. 😉
Am Ortsrand saß dann tatsächlich jemand, der „verirrte Touristen“ wie uns, zurück ins Dorf schickte, angeblich aus Sicherheitsgründen, in Wahrheit jedoch sicher aus monetären Gründen, da hier mit jedem noch so kleinem Spaziergang oder Aktivität Geld verdient werden soll. Einerseits verständlich, angesichts der hiesigen Lebensumstände, aber in diesem Fall schon eher unverschämt.
Aber immerhin ein bisschen Auslauf und Aussicht hatten wir bekommen und somit ging es zurück zum Van und nach vier Tagen und Nächten, machten wir uns auf den Rückweg nach Cochabamba und von dort weiter in den Norden.
Dazu dann demnächst mehr. 😊