Teil 18 unseres Roadtrips durch Mexiko
27. Oktober – 3. November 2024
Zurück in Mexiko brachten uns zwei lange Fahrtage durch schöne Landschaften an den Stadtrand von Oaxaca City. Im Garten von Irving und seiner Familie fanden wir einen schönen, ruhigen Platz, wo uns die beiden Hunde Vaci und Zucchini Gesellschaft leisteten.
Mit dem öffentlichen Collectivo-Taxi waren es nur wenige Minuten bis ins Stadtzentrum. Also ideal, um tagsüber zu arbeiten und abends in die Stadt zu düsen, wo bereits die Vorbereitungen und Feierlichkeiten für den „Dia de los Muertos“ in vollem Gang waren.
Dieses besondere Fest war schon letztes Jahr der Grund, warum wir so frühzeitig im Oktober den Van von Kolumbien nach Mexiko verschifft hatten. Denn wir wollten zu diesen besonderen Tagen unbedingt in Oaxaca sein, wo das Fest besonders traditionell und groß gefeiert wird. Wie sich einige noch erinnern werden, funktionierte dies ja leider nicht, da mit der Verschiffung und Entladung unseres Containers ja so ziemlich alles schiefging, was nur schiefgehen konnte. So verbrachten wir die Feiertage in Veracruz, wo nicht ganz so traditionell gefeiert wurde.
Umso schöner, dass wir dieses Jahr eine zweite Chance hatten, dem Fest beizuwohnen.
Zur Erinnerung: Der „Dia de los Muertos“, also der Tag der Toten, wird am 1. und 2. November gefeiert. Dem Glauben nach steigen die Seelen der Verstorbenen an diesen Tagen aus ihren Gräbern auf und feiern mit den Lebenden ein rauschendes Fest.
Zu diesem Zweck wird zu Hause ein Altar errichtet, mit Bildern der Toten, jeder Menge orangener Campusuchils (Ringelblumen) und den liebsten Essen und Getränken der Verstorbenen. Auf den Gräbern wird es ähnlich gehandhabt: Diese werden ebenfalls mit Blumen, Kerzen, manchmal auch Bildern und Lebensmitteln geschmückt, damit die Toten besser den Weg an die Oberfläche und nach Hause finden. Die Familien und/oder Freunde der Verstorbenen wachen, singen, reden und feiern dann an den Gräbern, bis man schließlich mit den Seelen nach Hause geht, um dort weiter zu feiern. Also so ganz anders als unser typisches Allerheiligen.
Schon in der Woche vor den eigentlichen beiden Feiertagen wurde alles festlich, bunt geschmückt. Auch fanden schon verschiedene Paraden und Konzerte statt, sodass uns nicht langweilig wurde.
Das erste Event war eine Parade am Stadtrand von Oaxaca, wo nicht nur verkleidete Menschen auftauchten, sondern auch kostümierte Haustiere, denn auch der verstorbenen Tiere wird an den Tagen gedacht. Die meisten Hunde waren aber wenig begeistert von ihren teils wirklich aufwändigen Kostümen, was die Besitzer zumeist wenig interessierte.
Die Parade zog durch die Straßen und endete schließlich auf einem Kirchplatz, wo erstmal alle mit Essen und Getränken versorgt wurden, bevor es eine Kostümprämierung gab. Das Ganze zog sich unendlich in die Länge und verlief ziemlich chaotisch (Organisation scheint nicht die Stärke der Mexis zu sein), sodass wir irgendwann von Dannen zogen.
Im Stadtviertel Jalatlaco sahen wir am nächsten Tag eine Callejoneada, wie wir sie bisher nur aus Guanajuato kannten, die, natürlich ebenfalls im Muertos-Look, laut musizierend durch die Gassen zog.
Auch das Stadtzentrum hatte sich entsprechend herausgeputzt, in den Fußgängerzonen standen überall riesige Figuren, die Frauen aus den unterschiedlichen Kulturen Oaxacas darstellen – natürlich auch im Skelett-Look.
Außerdem gab es nun überall bunte Blumenkränze und Haarreife zu kaufen, die hier traditionell rund um das Fest getragen werden. Da war ich natürlich auch dabei. 😊
31. Oktober
Ab dem 31. Oktober nahm das Fest dann richtig Fahrt auf. Um mehr über die Traditionen und die Geschichte zu lernen, schlossen wir uns einer Tour an, die uns zunächst in ein Dorf, etwas außerhalb von Oaxaca City, brachte. Dort lernten wir ein typisches Handwerk kennen, welches auch mit dem Fest in Verbindung steht. In einer kleinen Töpferei wurden die verzierten Totenköpfe für das Fest hergestellt – und natürlich auch so manch andere Skulpturen.
Zu unserer Überraschung durften wir dann selbst auch Hand anlegen und einen Totenkopf töpfern. Der arme Christian, Töpfern steht ganz oben auf seiner Anti-Bucketlist. Aber da musste er jetzt durch.
Es war auch gar nicht mal so einfach, die Köpfe zu formen und schließlich zu verzieren, aber mit der Hilfe der Profis, gelang es dann doch… so einigermaßen.
Nachdem wir uns nach der Töpferei mit leckeren Tlayudas gestärkt hatten (das sind große Weizenteigfladen, belegt mit Salat, Bohnen, Fleisch, Käse etc.), ging es schließlich zum eigentlichen Event des Abends. Wir besuchten den Dorf-Friedhof von Atzompa und staunten nicht schlecht, als wir dort ankamen und alles andere als besinnliche Stimmung vorfanden. Es mutete eher wie eine Kirmes an. Vor dem Friedhof standen dutzende Stände mit Essen, Getränken, Kunsthandwerk etc.
Auf dem Friedhofsgelände böllerten Kanonenschüsse und Feuerwerk in die Luft. Sogar ein Karussell stand dort.
Zu unserer Rechten lagen die Gräber und diese waren über und über mit den orangenen Blumen geschmückt und das gesamte Gelände wurde erleuchtet von tausenden Kerzen. Ein unglaublicher Anblick – trotz des ganzen Halligalli drumherum.
Wir liefen zwischen den Gräbern umher, was den Familien, die an den Gräbern saßen, übrigens überhaupt nichts ausmachte. Einheimische und Gäste waren hier gleichermaßen willkommen. Wir bestaunten ein ums andere Grab und fanden es total spannend zu sehen, wie unterschiedlich die Familien und Freunde das Fest begingen.
Während manche ganz ruhig und andächtig am Grab saßen, lief bei anderen laute Musik, es wurde gesungen, gegessen und getrunken, mancherorts auch getanzt. Teilweise hatten die Leute ihren halben Hausstand dabei, andere entzündeten nur Kerzen. Es war auf jeden Fall wunderschön anzusehen.
Schließlich erklang laute Musik – eine Liveband begann zu spielen und natürlich begann das Fest mit dem unvermeidlichen Lambada.
Man kann es kaum beschreiben, man muss es gesehen haben.
Der Friedhof von Atzompa ist einer der wenigen in Oaxaca, der die ganze Nacht geöffnet bleibt. Die Familien verbringen hier zumeist die ganze Nacht am Grab ihrer verstorbenen Familienmitglieder, um ihre Seelen dann am nächsten Morgen mit nach Hause zu nehmen und bis zum 2. November weiterzufeiern. Was für ein schöner Brauch!
1. November
Den ersten November verbrachten wir in der Innenstadt von Oaxaca. Für die eigentlichen Feiertage waren wir aus Irvings Garten, ins Zentrum von Oaxaca umgezogen, wo wir auf einem nicht schönen, aber praktischen Parkplatz mitten im Zentrum „wohnen“ konnten.
Die Stadt war inzwischen brechend voll. Auf dem Zócalo wurden typische Altäre aus 16 verschiedenen Regionen in Oaxaca aufgebaut. Wir bestaunten außerdem die sogenannten „Tapetes“, das sind Teppiche aus farbigem Sand, die aufwändig auf dem Boden kreiert wurden.
Entlang der Fußgängerzone hatten unzählige (selbsternannte) Maskenbildner und Makeup-Artists ihre Stände aufgebaut und schminkten jeden, der wollte, im Toten-Look, was auch zum Fest dazugehört. Besonders Frauen lassen sich gerne im „Catrina-Look“ schminken. La Catrina ist eine Skelett-Figur, die als Symbolbild für den Dia de los Muertos steht. Natürlich ließen wir uns das nicht entgehen.
So waren wir bereit für den Abend, der einige Veranstaltungen und Halloween-Partys versprach. Zuerst besuchten wir aber noch den Hauptfriedhof in der Stadt, waren aber erstaunt, dass dort, zumindest früh am Abend, noch fast nichts los war. Andererseits aber auch kein Wunder, weil eine Parade nach der anderen durch die Stadt zog.
Wir mischten uns schließlich unter das feierwütige Volk und landeten später am Abend auf dem Zocalo, dem Hauptplatz der Stadt, wo ein älterer Herr mit seinem Laptop und einem Haufen großer Boxen eine wilde Cumbia-Party veranstaltete und die Menge zum Tanzen brachte:
Da konnte keine Halloween-Party mithalten.
Irgendwann stolperten wir müde zurück in unseren Van, wo wir noch eine Weile damit beschäftigt waren, das Make-up aus unseren Gesichtern zu waschen.
2. November
Der nächste Morgen zeigte, dass Christian lieber kein Makeup mehr verwenden sollte, er hatte rund um die Augen eine allergische Reaktion auf die (bestimmt dermatologisch getestete und extra hochwertige) Schminke. Somit hieß es für ihn Sonnenbrille, statt Maske.
Wir verbrachten den Tag erneut in der Stadt und besuchten das Viertel Xochimilco, wo uns bunte Murals und aufwändige Deko erwarteten.
Der kleine Friedhof des Viertels war üppig geschmückt und auch bei Tag schön anzuschauen.
Später ließ ich mir erneut ein Catrina-Make-up verpassen – Christian setzte aus den genannten Gründen lieber aus.
So waren wir bereit für das nächste Event des Abends. Nochmal schlossen wir uns einer Tour an, die uns erneut in ein Dorf außerhalb der Stadt brachte, nach Amilpas, wo wiederum anders und traditionell gefeiert wurde.
Bei einem typischen Essen, bestehend aus Tamales (eine Art fester Maisbrei mit Fleischfüllung), Pan de Muertos (süßes Brot, ähnlich wie ein Kreppel), heißer Schokolade und dem ein oder anderen Mezcal-Shot (die harte Version des Tequila), erklärte uns der Guide, was es mit dem Dia de los Muertos auf sich hat und wie dieser, beeinflusst von den Spaniern, sich zu dem Fest wandelte, das wir heute feiern.
Danach ging es auf den Friedhof des Dorfes, wo es zum Ende des Festes inzwischen etwas ruhiger und besinnlicher zuging. Wie schon in Atzompa waren auch hier die Gräber üppig geschmückt, mit Bergen von Ringelblumen, bunten Wimpeln, Kerzen, Bildern etc.
Hier wachten allerdings weniger Menschen an den Gräbern, die Musik war deutlich leiser und es herrschte auch keine Festivalstimmung. Mit jeweils einer Kerze in der Hand liefen wir zwischen den eng zusammenliegenden Gräbern umher und bestaunten die Dekorationen.
Mitten auf dem Friedhofsgelände war ein besonders großer Altar aufgebaut, wo Besucher Bilder ihrer Verstorbenen und natürlich andere „Opfergaben“ ablegen konnten, damit auch deren Seelen den Weg an die Oberfläche finden konnten.
Zurück im Dorf, machte sich schon die nächste Parade bereit. Und hier wurde dann ein weiterer Unterschied deutlich: In Amilpas trugen, bis auf wenige Ausnahmen, alle, die an der Parade teilnehmen, die mehr oder weniger gleiche Maske. Dies soll dazu dienen, dass einen der Tod nicht erkennt und somit nicht ereilen kann – zumindest nicht in dieser Nacht. Angeführt von einem alten Pickup voller riesiger, völlig übersteuerter Boxen zog die Parade durch das Dorf. Die Anwohner säumten rechts und links die Straßen und versorgten alle, die wollten, mit selbstgebranntem, hochprozentigem Gesöff. Rette sich, wer kann!
Unter den Kostümierten waren auch einige Cross-Dresser (also Männer, die sich als Frauen verkleiden und umgekehrt). Denn in dieser Nacht galt: Alles ist erlaubt, jeder kann sich total verausgaben, dank der Masken ist man ja anonym.
Die Parade endete schließlich auf einer Wiese, wo zu guter Letzt eine weitere Tradition auf uns wartete: Ein Stier aus Pappmaché, bestückt mit Feuerwerkskörpern, wurde entzündet. Dies stellt das Pendant zum spanischen Stierkampf dar, ein weiterer Brauch, den die Spanier mit nach Mexiko brachten. Immerhin ist diese Version wesentlich tierfreundlicher.
Den Papp-Stier nahmen dann abwechselnd Leute auf ihre Schultern und liefen damit, wild tanzend, durch die Menge. Ein Wunder, dass es keine Verletzten gab…
So endete der Dia de los Muertos auch für uns.
Das Fest und all seine Veranstaltungen rundherum waren auf jeden Fall ein absolutes Highlight und wir sind total froh, dass wir es dieses Jahr noch mal miterleben durften – diesmal auch am richtigen Ort.
Nach der ereignisreichen Woche waren wir jetzt aber erstmal übersättigt mit Großstadt, Menschen und Feierei. Deshalb nutzten wir die neue Super-Carretera, die uns in nur 3 Stunden zurück an die Pazifikküste brachte, ins altbekannte Puerto Escondido. Diesmal durften wir nämlich Gast im Hotelito sein, um dort meinen Geburtstag zu feiern.
Aber dazu dann demnächst mehr. 😊
Übrigens: Wenn du uns auf unserer Reise unterstützen möchtest, freuen wir über einen Beitrag in unsere Eis- oder Diesel-Kasse. Das geht ganz einfach mit diesem PayPal Link.