Teil 23 unseres Roadtrips durch Mexiko
20. Dezember 2024 – 4. Januar 2025
Ursprünglich hatten wir geplant, Weihnachten irgendwo an der Pazifikküste zu verbringen. Als die Feiertage langsam näher rückten und wir nach Stellplätzen in unserer Wunschregion schauten, wurde uns aber schnell klar, dass wir dies nicht wie erhofft umsetzen könnten. Die freien Plätze am Meer waren rar gesät oder einfach nicht schön.
Freie lange Strände, wie wir sie von weiter unten an der Küste kennen, suchten wir dort vergebens. Stattdessen gab es unzählige RV-Parks (die amerikanische Version von Campingplätzen), wo die nordamerikanischen „Snowbirds“ mit ihren (zumeist) riiiiesigen Motorhomes und Wohnanhängern den ganzen Winter verbringen. Solche Plätze kosten dann mindestens 20-30€ aufwärts pro Nacht – was weder unserem Budget noch unseren Vorstellungen entspricht.
In der Nacht vor unserer Abreise aus Tequila kam mir dann die Erleuchtung – statt am Meer könnten wir die Feiertage doch einfach entspannt am See verbringen, dem Lago Chapala, an dem wir auf unserem Weg nach Guadalajara schon mal eine Nacht verbracht hatten. Dort gab es unzählige, kostenlose Stellplätze und auch sonst alles, was man an Infrastruktur braucht. Zudem liegt Mexikos größter See auf ca. 1.500m über dem Meeresspiegel und ist für sein angenehmes und ganzjährig mildes Klima bekannt. Auch im Winter hat man hier tagsüber fast immer 22-25 Grad und auch nachts bleiben die Temperaturen immer zweistellig. Das klang nicht nur für uns perfekt, sondern ist auch der Grund, warum es am See viele US-amerikanische und kanadische Rentner gibt, die hier ihren Lebensabend verbringen – besonders was Immobilien und die medizinische Versorgung angeht, ist Mexiko immer noch um Welten günstiger als alles weiter oben im Norden des Kontinents.
Also ging es auch für uns auf ins Rentnerparadies.
Ajijic
Wir landeten etwas außerhalb des Ortes Ajijic und bezogen erstmal einen Stellplatz, der nicht direkt am Wasser lag, aber zumindest ruhig zu sein schien. Als ich die Schiebetür öffnete, schauten mir diese 8 Augen entgegen.
Ein guter Start! Im Laufe des Nachmittags kamen ein paar Spaziergänger vorbei und wir merkten sofort, dass hier wirklich mehr Nordamerikaner als Mexikaner leben – wir wurden in den breitesten amerikanischen Dialekten begrüßt und angesprochen und man versicherte uns mehrfach, hier ein schönes, ruhiges und sicheres Plätzchen gefunden zu haben.
Am nächsten Tag schnappten wir uns die Bikes und machten uns auf in die kleine, bunte Innenstadt von Ajijic, immer am Seeufer entlang.
Das Erste, was uns auffiel, neben den vielen bunten Hauswänden, waren die unzähligen Immobilienbüros, die allesamt in US-Dollarpreisen lockten, statt in mexikanischen Pesos. Zudem gab es dutzende Orthopäden, Arztpraxen, Sanitätsgeschäfte und Apotheken. Die Zielgruppe war also klar. 😉
Auch im Zentrum waren viele Restaurants und Cafés entweder in US-amerikanischer Hand oder lockten zumindest mit englischen Karten und Schildern. Wir kamen aus dem Staunen nicht heraus. Aber wenn man genau hinschaute, fand man doch auch ein bisschen Mexiko zwischendrin, wie z. B. an der Wand der Totenköpfe, dem bunten VW-Käfer am Straßenrand und den allgegenwärtigen Straßenverkäufern, die irgendwas selbstgebrutzeltes anboten.
An der Promenade herrschte schon Feiertagsstimmung, es spielte eine Band, es gab frisch gezapftes lokales Bier und viele Familien picknickten im Park.
Nebenan stürzten sich die sogenannten „Voladores“ von ihrem ca. 15 Meter hohen Pfahl. Eine typisch mexikanische Tradition, genannt „Danza de Voladores“ (Tanz der fliegenden Männer), die wir hier tatsächlich zum ersten Mal sahen:
Mich hätten keine 10 Pferde auf diesen wackeligen Pfahl gebracht. Aber die vier Männer klettern dort ungesichert hinauf und hocken sich dann oben auf eine schmale Holzlatte. Während sie sich mit den Füßen am Pfahl abstützen und dabei immer im Kreis drehen, wickeln sie zunächst die Seile oben auf, um sich deren Enden dann um die Hüfte zu binden. Und dann geht es rücklings hinab in die Tiefe. Drehend wickeln sich die Seile nach und nach wieder ab. Einer der Männer pfeift dabei kopfüber ein Liedchen auf einer schrillen Flöte, während ein anderer eine kleine Handtrommel spielt. Irre! Hier der Videobeweis:
Wir wurden also bestens unterhalten. Ganz nebenbei entdeckten wir auch einen noch schöneren Stellplatz, etwas näher am Ort und direkt am Seeufer. Dort stand bereits ein amerikanischer Camper, der von dem schönen Platz ebenfalls ganz angetan war.
Nach einer weiteren Nacht an unserem Stellplatz außerhalb füllten wir also noch mal fix die Vorräte auf und parkten dann am 23.12. auf den Platz direkt am Seeufer um. Kein schlechter Ort, um Weihnachten zu feiern.
Direkt vor unserer Haustür schwammen die seltenen weißen Pelikane, die es dort am Chapala-See in großer Menge gibt. Auch sonst gab es hier für begeisterte Vogelkundler scheinbar viel zu sehen, denn täglich kamen auch Spaziergänger mit Fernglas vorbei und bestaunten alles, was Federn hatte.
Weihnachten am See
Heiligabend ist auf dem amerikanischen Kontinent kein Feiertag wie bei uns in Deutschland. Dementsprechend ging am 24.12. alles noch seinen normalen Gang. Wir veranstalteten am Abend, pünktlich zum (wie immer) spektakulären Sonnenuntergang, dennoch unser inzwischen fast schon traditionelles Weihnachts-BBQ.
Am ersten Feiertag schnürten wir dann die Wanderschuhe und erkundeten den bergigen Wald, welcher hinter Ajijic liegt. Wir hatten von einer Wanderung gelesen, die an zwei kleinen Wasserfällen vorbeiführt. Aber da der Winter in Mexiko ja die Trockenzeit ist, gab es keine Wasserfälle zu sehen – nur trockenen Wald. Dafür aber Aussicht bis auf den See.
Und auch den zweiten Weihnachtsfeiertag, der in Nordamerika auch schon kein Feiertag mehr ist, verbrachten wir sportlich. Wir schwangen uns erneut auf die Räder und erkundeten den Nachbarort Chapala.
Im Gegensatz zu Ajijic ging es dort deutlich mexikanischer zu. Alle Großfamilien der Region schienen sich hier versammelt zu haben. Die Promenade war voller Menschen, überall gab es was zu essen und zu trinken, Spielsachen für die Kids, überall lief laute Musik und auch hier stürzten sich die „Voladores“ von einem Pfahl.
Das machte noch mal deutlich, wie sehr Ajijic doch in US-amerikanischer Hand ist.
Nach diesen entspannten Feiertagen und einer letzten Nacht am See machten wir uns am 27. Dezember dann aber doch mal auf den Weg zur Küste.
Puerto Vallarta
Unser Ziel war die Stadt Puerto Vallarta, von der wir schon viel gehört hatten, da es ein beliebtes Urlaubsziel für Mexikaner, aber auch wieder US-Amerikaner ist. Schon auf dem Weg dorthin merkten wir, dass wir wohl nicht die einzigen waren, welche die Zeit zwischen den Jahren am Meer verbringen wollten. Uns begegnete kaum ein Auto ohne Dachbox oder wild verschnürte Gepäckberge auf dem Dach und an allen Mautstationen (wovon es in Mexiko unzählige gibt) staute sich der Verkehr.
Angekommen in Puerto Vallarta (PV) fanden wir mit etwas Glück einen Parkplatz in einem Wohngebiet, direkt in zweiter Reihe zum Strand. Den schauten wir uns natürlich als Erstes an und erkannten auch hier sofort: ja, wir waren in der Hochsaison.
Unser Spaziergang durch die kleine Innenstadt, an der Promenade entlang, bestätigte diesen Eindruck. Alles war voll mit Menschen, man hörte einen bunten Mix aus Spanisch und Englisch, an jeder Ecke (und dazwischen) wurde was verkauft, überall bildeten sich Menschentrauben, um vor Weihnachtsdekorationen Bilder fürs Familienalbum zu knipsen.
Wir waren mal wieder überrascht, wie touristisch es war. Das ganze Schauspiel erinnerte uns tatsächlich an Cancun.
Wir erreichten schließlich die sogenannte „Zona Romantica“, die sich vor allem durch Hotels ohne Ende und dicht bebaute Strände auszeichnet. Wobei das abends noch ganz nett aussah (im Gegensatz zum Tag, wo es einfach nur voll war).
Und das Publikum war bunt, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn PV gilt als die LGBTQ+ freundlichste Stadt des Landes und tatsächlich fühlten wir uns, als wären wir auf dem Christopher-Street-Day gelandet, da hier jeder sein und rumlaufen konnte, wie er wollte. Jede zweite Bar war eine Gay-Bar, überall begegneten uns die Regenbogenfahnen und die Stimmung war ausgelassen und lustig.
Am zweiten Abend in der Stadt mischten wir uns unter das bunte Volk und besuchten zunächst eine Madonna-Tribute-Show, die richtig, richtig gut war.
Danach landeten wir erst in einer Rockbar mit Livemusik und hinterher noch in einer der bekanntesten Gay-Bars der Stadt. Wir hatten einfach einen richtig schönen und lustigen Abend, der den Kater am nächsten Morgen allemal wert war. 😊
Zwei Tage in diesem Trubel hatten uns dann aber schon gereicht, also machten wir uns jetzt doch mal auf die Suche nach einem Stellplatz außerhalb der Stadt. Circa eine Stunde nördlich von PV fanden wir schließlich ein Plätzchen, das einen ganz netten Eindruck machte. Außerhalb größerer Ortschaften gelegen schien dieser Strand nicht allzu voll zu werden und wir hofften, hier ein paar Tage bleiben zu können.
Allerdings zeigte sich im Laufe des Abends, dass wir scheinbar nicht weit genug draußen waren. Denn auch nach Einbruch der Dunkelheit kamen immer wieder Pickups und Quads angefahren, die teilweise auch direkt auf den Strand fuhren. Es wurden ständig Böller gezündet und irgendwo bellte ein Hund, der sich bei dem Lärm natürlich auch nicht beruhigen ließ. Das ging so die halbe Nacht hindurch. Und auch am nächsten Tag, ging es so weiter. Das machte uns so keinen Spaß und deshalb brachen wir am frühen Nachmittag doch schon wieder auf und beschlossen tatsächlich, zum Chapala See, in unser Rentnerparadies, zurückzufahren. Dort hatten wir einen schönen Platz sicher, bei dem wir davon ausgehen konnten, dass es auch rund um die Silvesternacht nicht weiter eskalieren würde.
Zurück am Lago Chapala
Und so kam es dann auch. Wir verbrachten Silvester wieder an unserem Stammplatz am Seeufer, packten abends ein letztes Mal den Grill aus und stießen um Mitternacht auf das neue Jahr an. Es gab ein kurzes, schönes Feuerwerk und dann war ab ca. 0:45h Ruhe.
Aber am nächsten Tag holten die Mexikaner dann einiges nach. Natürlich hatten an Neujahr alle frei und wir bekamen immer mehr Nachbarn auf unserer Wiese. Es war wie immer spannend zu beobachten, wie schnell sich eine mexikanische Großfamilie ausbreiten kann. Innerhalb von Minuten wurden Tische und Stühle aufgebaut, Kühlboxen ausgeladen, ein Feuer aus dem Boden gestampft, die Musikbox aufgedreht und schon gings los. Für die Kids gab es Pinatas, gefüllt mit Süßigkeiten, und jede Menge Böller, die mitten am Tag gezündet wurden. Neujahr war hier also wichtiger als die Silvesternacht selbst.
Zum Sonnenuntergang war dann aber alles vorbei und so schnell, wie sie gekommen waren, waren auch alle wieder weg. Einige nahmen sogar ihren Müll mit, andere steckten ihn einfach an, was hier leider auch nicht unüblich ist.
Guadalajara
Am 2. Januar ließen wir den See dann auch endgültig hinter uns. In der Zwischenzeit hatten wir uns entschieden, wie unsere Reise durch Mexiko und rauf zur Baja California weitergehen sollte. Wir hatten uns für die Variante über Land, quer durch den Norden des Landes entschieden, also standen uns jetzt ein paar lange Fahrtage bevor.
Da wir den Küsten-Bundesstaat Sinaloa, der für seine Kartellkriege bekannt ist, meiden wollten, führte uns unser Weg erst noch mal zurück nach Guadalajara. Hier genossen wir noch mal die Vorzüge der Großstadt, um ein paar praktische Dinge zu erledigen (Waschsalon, Zahnarzt, etc.) und natürlich gönnten wir uns auch noch mal die leckersten Fisch-Tacos.
Nach nur zwei Tagen ging es dann aber auch schon weiter und ab jetzt, immer gen Norden.
Aber dazu dann demnächst mehr. 😊
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