Teil 5 unseres Roadtrips durch Bolivien
Wir arbeiteten uns langsam, aber sicher in den Norden von Bolivien vor.
In der Stadt Oruro, wollten wir eigentlich auch einen Tag verbringen, vor allem, weil es dort ein Gaswerk geben sollte, das unsere 11l Gasflasche auffüllen könnte – das ist in Bolivien nämlich gar nicht so einfach, da hier auch nur Tauschflaschen gehandelt werden und natürlich die Anschlüsse ganz anders sind als in Deutschland und Europa.
Doch schon die Anfahrt nach Oruro ließ es uns ganz anders werden.
Bolivien gehört bekanntermaßen zu den ärmsten Ländern Südamerikas, dementsprechend steht Mülltrennung und Recycling dort nicht an oberster Stelle und es gibt im Grunde genommen kaum einen Straßengraben ohne Müll. Auch haben wir in vielen Ecken schon illegale Müllkippen gesehen – was aber auch in Argentinien und Chile nicht viel anders war. Aber das, was wir rund um Oruro sahen, war eine ganz andere Hausnummer. Gefühlt fuhren wir über mehrere Kilometer quer durch eine Mülldeponie. Das Straßenbild war geprägt von Abfällen aller Art, Bauschutt, leere Ölfässer, alte Autoreifen, Plastikplanen und Fetzen überall, schrottreife Autos und dazwischen zerfallene Häuser und Baracken und jede Menge Hunde – lebende die im Müll wühlten, aber auch dutzende überfahrene Tiere. Absolut grauenvoll! Dieser Anblick lies unsere Lust auf die Erkundung der Stadt schwinden und auch nachdem wir das Ortsschild passiert hatten und schon mitten in der Stadt waren, verbesserte sich das Bild kaum. Müll und Schrott auf den Straßen, überquellende Mülltonnen, in denen verwahrloste Hunde wühlten. Wir hatten genug. Wir beschlossen nur das Gaswerk anzufahren und dann schnell wieder die Flucht zu ergreifen.
Am Gaswerk angekommen, wollte man uns direkt wieder abweisen, aber Christian blieb hartnäckig, bis schließlich ein Mitarbeiter des Gaswerks ein Einsehen hatte, und mit unseren Adaptern los zog, um zu überprüfen, ob man da was machen könnte. Leider kam der Mitarbeiter kopfschüttelnd zurück, auch mit Adapter war nichts zu machen. Also zogen wir unverrichteter Dinge von Dannen – Hauptsache weg!
Nationalpark Sajama
Unser nächstes Ziel war dafür umso schöner und sollte eins unserer absoluten Highlights in Bolivien werden: der Sajama Nationalpark, im Nordosten des Landes und nahe der Grenze zu Chile. Namensgeber des Parks, ist der über 6.500m hohe Vulkan Sajama, der noch als aktiv gilt. Außerdem ist er der zweithöchste Vulkan des Kontinents.
Die Landschaft rund um den Vulkan ist einzigartig. Wohin man auch schaut, man ist umgeben von über 6.000m hohen Bergen und Vulkanen, dazu die ewig weite wüstenartige Landschaft, grasende Lamas und Alpakas, heiße Quellen die zu warmen Flüssen werden und die Landschaft durchziehen – einfach traumhaft!
Das kleine Dorf Sajama liegt auf 4.200m über dem Meeresspiegel. Dort positionierten wir uns und erkundeten die Umgebung.
Unser erster Ausflug führte uns hinauf auf ca. 5.000m und über die Grenze nach Chile, zu den Lagunas Alturas. Um zum Trailhead zu gelangen, hieß es eine abenteuerliche, sandige Piste zu bezwingen. Von anderen Reisenden, die einige Monate vorher auch mit einem (kleineren) Ducato dort waren, hatten wir gehört, dass es herausfordernd, aber machbar sein sollte. Also starteten wir frohen Mutes, mussten aber bereits nach wenigen hundert Metern aufgeben – die vor uns liegende Flußquerung war tiefer als erhofft und der Boden sehr weich und sandig. Wir befürchteten, mit der Hinterachse hängen zu bleiben, also ließen wir Vernunft walten und fuhren Moby Dick zurück ins Dorf und nahmen uns stattdessen ein Taxi zum Startpunkt der Wanderung.
Gute Entscheidung – im Verlauf wurde die Piste immer ausgewaschener, der Sand immer tiefer und weicher und die ein oder andere steile Rampe war auch dabei. Mit unserem 3.5 Tonnen Fronttriebler wären wir dort niemals hochgekommen. Keine Ahnung wie unsere Reisebekanntschaft ihren Ducato da hochbekommen hatten.
Dann konnte die Wanderung aber endlich los gehen. Von 4.600müM ging es hinauf und über die Grenze nach Chile und dort standen wir dann, ganz ohne Grenzprozess, vor der ersten Lagune.
Nur wenige Kilometer weiter, erwartete uns die zweite, noch schöner gelegene Lagune.
Unglaublich schön!!
Zurück ging es über den gleichen Weg, der uns noch an den heißen, sulfurhaltigen Quellen und Geysiren vorbeiführte. Hier blubberte und qualmte es mal wieder an allen Ecken und Enden. Und das mineralische Wasser, zauberte die schönsten Farben in die heißen Becken.
Zur Krönung grasten unweit der Quellen auch wieder fotogene Lamas und Alpakas auf der Wiese.
Abgesehen von den kochenden Geysiren, gibt es im Nationalpark auch einige heiße Quellen, in denen man baden kann. Eine davon, besuchten wir im Anschluss noch. Da es sich um eine kleine, private Einrichtung etwas außerhalb vom Dorf handelte, welche von Tour Anbietern nicht angefahren wird, hatten wir die heißen Becken ganz für uns alleine. Und dazu dieser Ausblick.
Wir durften sogar über Nacht bleiben und konnten somit sogar den Aufgang des Vollmonds über dem Sajama beobachten. Traumhaft. Definitiv einer der schönsten Plätze auf der ganzen Reise!
Zum Frühstück gesellte sich dann eine Lama- und Alpaka Herde zu uns. Dazu diese Landschaft – ein wahrgewordener Fotografentraum!
Ein weiterer Grund für unseren Ausflug in den Sajama Nationalpark, war der 6.052m hohe Stratovulkan Acotango. Seitdem wir in Chile auf den 5.600m hohen Cerro Toco gestiegen waren, ging uns der Gedanke nicht aus dem Kopf einen 6.000er zu besteigen. Hier war das RELATIV einfach möglich. Zurück im Dorf sprachen wir mit zwei Guides und legten uns fest: am kommenden Freitag, den 2. Juni wollten wir es wagen. Akklimatisiert sollten wir nach der langen Zeit in der Höhe ja sein.
Um im Training zu bleiben, bestiegen wir am Tag vorher noch den „Monte Cielo“, quasi den kleinen Hausberg von Sajama, auf 4.600müM, zu dem ein schnurgerade Weg direkt aus dem Dorf heraus führt. Hier konnte noch nicht mal ich mich verlaufen. 😉
Beim Aufstieg, durchquerte man auch die kläglichen Überreste, des einst höchst gelegenen Waldes der Welt. Ein Großteil der Bäume wurde jedoch abgeholzt. Am Mirador angekommen, hatte man von dort noch mal einen anderen Blick auf den Sajama und natürlich die umliegende Landschaft.
Die Besteigung des 6.052m hohen Acotango
In der darauffolgenden Nacht ging es um 4 Uhr morgens los. Zusammen mit drei anderen Reisenden und unserem Guide Mario, machten wir uns auf zum 1.5 Stunden entfernten Acotango. Auf 5.300m startete die Tour. Es fing gerade an zu dämmern und es war mit -12 Grad bitterkalt.
Dick eingepackt ging es los. Die dünne Luft machte sich sofort bemerkbar, aber wir ließen uns Zeit und es langsam angehen. Doch nach wenigen Minuten traf mich von jetzt auf gleich die Höhenkrankheit, und zwar mit allem was dazugehört: mir wurde übel und schwindelig, vor meinen Augen begann es zu flimmern, in meinen Ohren piepste es ganz laut und ich verlor die Orientierung. Innerhalb einer Sekunde war das Abenteuer Acotango für mich vorbei. Woran es lag, ließ sich nur spekulieren. In all den Wochen in der Höhe, hatten weder Christian noch ich Probleme und ausgerechnet dort traf es mich. Es blieb mir nichts anderes übrig als frustriert, enttäuscht, traurig und wütend auf mich selbst wieder abzusteigen und im Auto zu warten. Mir war einfach nur zum Heulen zumute, vielleicht habe ich sogar ein bisschen geheult, aber es half ja nix. Zum Glück ließen die Symptome auf 5.300m sofort nach und ich hatte genügend Podcasts dabei, um mir die Zeit zu vertreiben, während die anderen sich auf zum Gipfel machten.
Die Tour hatte es auf jeden Fall in sich: auf nur 3.5km galt es 710hm zu überwinden und das in dieser ohnehin schon schwindelerregenden Höhe. Stellenweise betrug die Steigung 60%. Das war alles andere als ein Spaziergang. Aber dafür war die Aussicht gigantisch!
Auf ca. 5.800müM begann die vereiste Schneedecke. Dort hieß es dann die Steigeisen auspacken und langsam, aber sicher die letzten Meter auf dem schmalen Grat überwinden, auf dem sich vereiste Schneebretter gebildet hatten. Hier hieß es doppelt vorsichtig und konzentriert sein, links und rechts ging es steil hinab. Dazu die dünne Luft, für jeden Schritt, brauchte es zwei Atemzüge.
Nach gut 5 Stunden war es dann aber endlich geschafft: Christian hatte seinen ersten 6.000er bezwungen. Ein Wahnsinns Glücksgefühl!
Es blieben ca. 15 Minuten zum Staunen und Genießen (und Durchatmen), bevor es wieder retour zum Auto ging. Der Rückweg lief natürlich bedeutend schneller, besonders die steile Geröll-Passage, wurde einfach wie beim Skifahren, rutschend genommen. So dauerte der Abstieg weniger als 2 Stunden und dann waren alle wieder ziemlich glücklich, aber auch ganz schön erschöpft bei mir am Auto und es ging zurück nach Sajama. Was für ein Abenteuer – wenn auch diesmal nur für einen von uns.
Zurück im Ort, machten wir uns gleich wieder auf zu den heißen Quellen. Diesmal hatten wir sie nicht ganz für uns allein – scheinbar war Freitag Badetag im Ort. Viele Familien nutzten die Becken, um sich selbst UND ihre Wäsche dort zu waschen. Wie gesagt, Natur- und Umweltschutz ist hier noch ein ausbaufähiges Thema. Die Menschen haben ganz andere Probleme. Immerhin tummelten sich die Einheimischen am Ende des Beckens, wo auch der Abfluss in den Fluss war, sodass wir weiter vorne im Becken, von Shampoo und Waschmittel verschont blieben. Und außerdem war da ja noch die Aussicht, mit der man sich ablenken konnte.
Nachts hatten wir das gesamte Areal wieder für uns alleine, Vollmond inklusive und zum Frühstück, erschienen auch wieder unsere felligen, flauschigen Freunde.
Wir genossen noch den Vormittag in dieser traumhaften Umgebung, bevor wir uns dann doch losrissen und uns auf den Weg nach La Paz machten. Dort waren wir zumindest endlich mal wieder unter 4.000m… wenn auch nur knapp und auch nur zeitweise.
Aber dazu dann demnächst mehr. 😊